Der die Binde trägt.

Vitesse verliert 4:2 in Sörgenloch – und Dehm reift zum Führungsspieler.

 

agr. – Große Spieler müssen reifen. Als Oliver Kahn mit 18 Jahren seinen ersten Profivertrag bekam, hatte er den für die Geschichte des deutschen Fußballs recht unbedeutenden Stammkeeper Alexander Famulla beim Karlsruher SC vor der Nase, an dem er drei Jahre nicht vorbeikam.

 

Bis er in den Titanrang emporstieg, der es ihm erlaubt, seinen Gegenspieler ins Ohr zu beißen oder mit Kung-Fu-Tritten entgegenzuspringen, vergingen einige Jahre. Oder unsere Weltmeister Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski: Als Schweini und Poldi lieferten sie eher Geschichten für die letzten Seite der großen Zeitungen als für den Sportteil.

 

Ausnahme-Erscheinung Dehm

Lukas Dehm kam als hungriger, im aktiven Bereich erfahrener, aber trotzdem noch junger Spieler zu Vitesse Mayence. Ungewöhnlich, denn ansonsten sind es eher die Jungs, die nach vier Jahren couchpotating und zehn Kilo Übergewicht beschließen, mal wieder Sport zu treiben. Oder diejenigen, die nach Jahren im oberklassigeren Amateurbereich noch eine ruhige Kugel schieben, sich aber noch für zu gut halten, um Alte Herren zu spielen.

 

Dehm war von Anfang an sonntags stets einer der auffälligsten Spieler, sehr laufstark, gut im Zweikampf, aber auch technisch beschlagen. Dehm fiel jedoch eher spielerisch als verbal auf. Man konnte ihn in seinem ersten Vitesse-Jahr durchaus als Leisetreter bezeichnen.

 

Sinnkrise bei Graßhoff

Auch als er während der vergangenen Saison von dem Trainerduo Bayer/Moisiadis zum Kapitän befördert wurde (was bei seinem Vorgänger Alexander Graßhoff erneut eine tiefe Sinnkrise auslöste), hielt er sich noch immer eher zurück.

 

Große Spieler, vor allem auch Führungsspieler, müssen eben reifen. Während des Aufwärmprogramms vor der Partie der Vitesser bei Sörgenloch/Udenheim zettelte Özgür Ivecen nun in gewohnter Rumpelstilzchen-Manier mitten im 5-gegen-5 eine Diskussion an, warum der Ball denn eingerollt und nicht eingeworfen werde. Dehm unterbrach die Einheit, stellte Ivecen lautstark zur Rede, bis dieser ein einsehen hatte und kleinbei gab. Es wurde weiter eingerollt.

 

Vitesse rollt ein, und verliert.

Das folgende Spiel verlor Vitesse ganz verdient gegen einen starken Gegner mit einem überragenden Regisseur Florian Breitenbach (bullig wie Alusse, schnell wie Scholze) mit 4:2. Das Spiel liegt schon wieder zu viele Beck’s zurück, als dass sich der Autor noch an Details erinnern könnte.

 

Wahrscheinlich hatte aber Ivecen recht: „Wir haben das Spiel verloren, weil wir beim 5-gegen-5 die Einwürfe nicht geübt, sondern eingerollt haben“, konstatierte er. Wie dem auch sei. Lukas Dehm reift langsam, aber sicher – für Vitesse-Verhältnisse – zum ganz großen Spieler.

 

Wurde ja auch mal Zeit. Dann braucht er auch bald gar keine Kapitänsbinde mehr. Und zumindest einer seiner Mitspieler hat zufällig immer eine in der Tasche.

 

SG Sörgenloch/Udenheim – SV Vitesse Mayence 4:2 (1:1)

Vitesse: Trojan – Graßhoff (62. Petruschin), Theißen, Koukoulis – Emsermann, Fellenberger, Dehm, Keim (90. Billet), Scholze (65. Hassanzadeh) – Ivecen, Laux.

 

Tore: 1:0 Rost (31.), 1:1 Ivecen (41.), 2:1 Breitenbach (46.), 2:2 Fellenberger (54.), 3:2 Heeg (62.), 4:2 Breitenbach (71.)

 

Gelbe Karten: Graßhoff, Emsermann.

 

Beste Spieler: Ivecen, Scholze, Theißen.