Der Kettenhund und die Ballerina
 
Ich habe mich an seine krächzende, sich überschlagene Brüll-Stimme gewöhnt. Selbstverständlich daran, dass er sich beharrlich weigert, aus seinem Kasten zu kommen, auch wenn es mehr als geboten wäre. Sogar an seine viel viel zu engen Funktionsshirts. Seit bald 16 Jahren kicken Trojan und ich schon in einem Team bei Vitesse. Aber nun das. Zum ersten Spiel nach der Winterpause bei Schwabsburg lief Keeper Philipp Trojan in roten Fußballschuhen auf. War das sein Ernst? Mit 42 Jahren?
 
„Bist du schwul geworden?“, fragte ein Spieler aus dem Kreise der Mannschaft gewohnt politisch unkorrekt. „Na, wenn ich hetero wäre, wäre ich ja eher die Ausnahme im Team“ konterte Trojan schlagfertig.
 
Irgendwie passte da scheinbar so einiges nicht mehr zusammen bei Vitesse. Trainiert wurde in der Vorbereitung unter Fitessguru Rimah als müssten sich alle 35 Vitesse-Kicker am 9. März mit Willi „de Ox“ Fischer im Ring messen oder einen Iron Man absolvieren. Die vergangenen fünf Wochen gab es bei mir keinen Tag, an dem meine Beine nicht brannten und ich den syrischen Hengst verfluchte, wenn ich unter Schmerzen und wie ein 90-jähriger Greis fünf Treppenstufe erklomm als wäre es die verfluchte Eiger-Nordwand. Während auf der einen Seite Rimah als Drill Sergeant versuchte, aus den Vitessern eisenharte Männer zu formen – wobei er durchaus auch zur Erziehungsmethode der rüden Beleidigung und Herabwürdigung griff – , kamen die Pussy-Eigenschaften der Jungs leider doch hier und da wieder durch („Ich habe Muskelkater und kann heute nicht ins Training“).
 
Irgendwie passten Trojans rote Schuhe in diese bipolare Bild. Und offensichtlich wussten auch die Vitesser nach dem Anpfiff nicht so recht, wo sie standen. Der Anfang war von einer Verunsicherung und Unordnung im Spiel der Mainzer geprägt. Nur mit Glück ging Vitesse nicht bereits nach zwei Minuten nach einer Großchance für den Schwabsburger Leib in Führung.
Doch nach zehn Minuten fand Vitesse in die Partie. Die Abwehr „Graßhoff + Refugos“ stand sicher, Dweder und Gumma gewannen alle Zweikämpfe und Dweder der syrische Teufel mit seinen 1.62 Metern sogar alle Kopfbälle. Raubuch und Keim funktionierten als Doppelsechs hervorragend. Kampfstark in der Defensive und ballgewandt und passsicher im Offensivspiel. Ausnahmsweise war es gar nicht die Offensive um Habibi, Vrgoc und Sediqi, die an diesem Tag die Kohlen wieder hätte alleine aus dem Feuer holen müssen. Foulelfmeter durch Habibi nach Foulspiel an Sediqi, Eigentor der Schwabsburger nach einem der vielen geilen Freistöße von Raubuch und dann Raubuch selbst – 3:0.
 
Dass es nach dem 3:1- Anschlusstreffer der Schwabsburger dann doch noch mal hektisch und das Spiel der Vitesser zerfahren wurde, lag an der Nervosität. Im Abstiegskampf und nach der Pleitenserie der Hinrunde ist das verständlich. Trainer Marko Vrgoc aber machte mangelnde Kondition als Grund aus – und hetzte im kommenden Training erneut Kettenhund Rimah auf die Spieler. Ich habe erneut schwere Beine. Aber man gewöhnt sich dran. Schneller als an Trojans rote Schuhe.
 
Trojan – Oday, Gumma, Graßhoff, Dweder, Mostafa (60. Dries) – Keim, Raubuch – Habibi (80. Friedrich), Vrgoc, Sediqi (75. Henriques).
Tore: 0:1 Habibi (25., FE), 0:2 Eigentor (47.), 0:3 Raubuch (70.), 1:3 Hauf (75., HE).
 
Gelbe Karten: Friedrich.
 
Beste Spieler: Gumma, Dweder, Keim, Raubuch.