Kraski und die Tagesschau
 
Wie jeden Abend lag Steffen Kraski am vergangenen Sonntag pünktlich zur Tagesschau im Bademantel vor der Glotze, das Baby selig im Kinderzimmer schlafend, während die Frau im Arbeitszimmer an der Dissertation arbeitete. Und wie fast jeden Abend fielen Kraski beim dritten, vierten Beitrag (dieses Mal ging es um den Bürgerkrieg in Syrien) die Fernbedienung aus der Hand und die Augen zu. In dieser Woche hatte Kraski sich den frühen Schlaf aber auch redlich verdient. Denn in dieser Woche hatte Kraski schrecklich gebuckelt.
 
Seit Wochen geht der 33-Jährige auf dem Zahnfleisch. „Ich bin froh, wenn meine Frau endlich richtig arbeiten geht. Dann mache ich mal schön Elternzeit und danach halbe Stelle“, klagte Kraski unter der Woche im Training seinen Mitspielern das Leid. In dieser Woche – wie geschrieben – hatte es den Vitesse-Kapitän aber besonders hart getroffen. Montag und Dienstag vier Unterrichtstunden á 45 Minuten. Mittwoch fünf Stunden, plus – in Zusammenarbeit mit Kollege Pascal Röser – die ungeliebte Pausenaufsicht. Mittwoch hätte es für ihn sogar um ein Haar nicht mehr zum Mittagsschlaf gereicht, denn abends ließ er sich bei Vitesse im Training blicken. Donnerstags zwei Schulstunden, freitags noch mal vier – ein Höllenprogramm. Gott sei Dank musste die Gattin abends arbeiten, so hatte er wenigstens am Freitag die altbewährte Ausrede, er müsse auf das Kind aufpassen und könne deshalb nicht zum Sportplatz. Kind schlief im Kinderzimmer – Kraski wie immer bei der Tagesschau ein.
 
Beinahe-Tor mit Knie
Samstag dann das Übliche: Früh aufstehen und den Kinderwagen über den Marktplatz schieben, zwei, drei Schorlen trinken. Mittagsschlaf, Abendessen, Tagesschau, das normale, harte Programm. Und nach einer kurzen Nacht dann dieses frühe Spiel seiner Vitesser in Nieder-Olm. Wer unter solchem Druck steht, weiß allerdings, wie wichtig gutes Zeitmanagement ist: So nutzte er das Auswärtsspiel im Landkreis, um zusammen mit Röser nach potentiellen Bauplätzen Ausschau zu halten.
 
Aller Widrigkeiten zum Trotz lieferte Kraski eine überragende erste Hälfte ab. Er war der Dreh- und Angelpunkt des Vitesse-Mittelfeldes. Ein Freistoß, den er clever aufs Tor zielte, weil der Keeper schlecht stand, konnte nur direkt vor die Füße von Theißen abgewehrt werden. Hätte dieser nicht aus drei Metern elf Meter übers Tor geschossen, hätte er nun einen Assist. Und den eigenen Torerfolg wollte er sich frei vor dem gegnerischen Keeper per Knie holen. Um ein Haar wäre Kraski der vermutlich erste rheinhessische Kicker geworden, der einen Lupfer per Knie einnetzt. Doch der Torwart konnte gerade noch so fangen. Dank Kraskis starker Leistung ging Vitesse nach einem Traumtor von Habibi mit der 1:0-Führung in die Pause.
 
Ein Leben lang…
In der zweiten Hälfte (Zitat Kraski: „Ich war schon nach 10 Minuten platt“) baute der Kapitän ein wenig ab. Bei Vitesse zeigte Theißen, dass er wirklich nicht mehr in der Innenverteidigung spielen möchte. Zuerst spitzelte er einen Ball, der echt nicht einfach zu kontrollieren war, ins eigene Netz. Kurz darauf verursachte er einen unstrittigen Foul-Elfer. Ohne, dass Theißen nur ein Wort darüber verlor, konnte man ihn quasi brüllen hören: „Was muss ich noch tun, damit ich nicht mehr Innenverteidiger spielen muss? Euch beleidigen? Bitteschön, ihr lahmen Enten.“
Der Gegner jedoch war schwach und die Vitesse-Offensive stark genug, dass die Mainzer am Ende etwas glücklich als Sieger vom Platz gingen. So knapp hätte es gegen diesen Gegner allerdings nicht werden müssen.
 
Kraski war nach der Partie von der Begegnung, aber auch von der ganzen Woche, so gezeichnet, dass er sich kaum noch freuen konnte. Auffallend war bloß, dass er seit Mittwochabend dieselbe Unterhose (gelb-lila gestreift, mit rosa Rand, Zitat: „Gabs bei Tschibo“) getragen hatte. Der arme Kerl kommt nicht mal dazu, seine Unterwäsche zu waschen. Es wird wirklich Zeit, dass seine Frau mal richtig arbeiten geht!
 
Aufstellung: Trojan – Noori (60. Röser), Friedrich (30. Graßhoff), Theißen, Dweder – Keim – Kraski, Raubuch (70. Kultham), Abdullah, Sediqi – Vrgoc
Tore: 0:1 Abdullah (35.), 2:2 Vrgoc (75.), 2:3 Keim (80.), 3:4 Kultham (90.)
Gelbe Karten: Vrgoc, Keim.
Beste Spieler: AG12, Kraski, Sediqi.