Wie Brehme 1990
 
Samir Sediqi hatte – auch ohne die Unterstützung seiner Freundin – beim 8:2-Sieg von Vitesse Mayence gegen Bodenheim II einen echten Sahnetag erwischt. Völlig zurecht schaffte er es mit seiner überragenden Vorstellung auf Rechtsaußen auch in die Fupa-Elf-der-Woche. Es war die 88. Minute. Das Spiel stand auf der Kippe. Vitesse hatte eine gute Leistung gezeigt, aber Bodenheim kämpfte noch immer gegen die Niederlage an und wollte nicht aufgeben. Schließlich steckten beide Team mitten im Abstiegskampf. Es stand 7:2 für Vitesse. Das mag deutlich klingen, aber Bodenheim war selbst Minuten vor Schluss immer noch für sechs, sieben Tore gut.
 
Sediqi dribbelt mit Ball in den gegnerischen Strafraum. Sein überforderter Gegenspieler kann ihn nur durch ein Foul stoppen. Pfiff. Elfmeter. Sekundenlange Stille auf der Sportanlage an der Ulrichstraße. Gibt es jetzt die längst fällige Entscheidung? Macht Vitesse den Sack endlich zu?
 
Dem Weltklasse-Verteidiger Alexander Graßhoff, mittlerweile Vierfach-Nominierter der Fupa-Elf-der-Woche, schießen tausend Gedanken durch den Kopf. Jakic steht nicht auf dem Platz, schon mal ein Wackelkandidat weg. Aber nimmt sich Marko Vrgoc jetzt wieder den Ball und semmelt die Kugel übers Tor? Oder greift sich Kapitän Emsermann die Pille? Der schlechteste Elfmeterschütze der Vitesse-Historie steht ja Gott sei Dank nur am Spielfeldrand: Dara Hassanzadeh. Aber da braucht es jetzt einen Mann mit den Nerven eines Hochseilartistes. Eigentlich braucht es einen Graßhoff.
 
Einige quälend lange Sekunden vergehen. Doch Zweitmannschaftsspieler Ivo Vrgoc auf den Zuschauerrängen muss ähnliche Überlegungen wie Graßhoff angestellt haben. „Der Graßhoff muss schießen!“, brüllt er aufs Spielfeld. Die 34 weiteren nicht-zahlenden Zuschauer stimmen mit ein: „Graßhoff! Graßhoff! Graßhoff!“, skandieren sie.
 
Die Mitspieler stehen quasi Spalier, während Graßhoff gemütlich Richtung Elfmeterpunkt spaziert. Vrgoc erzählt noch irgendwas von einem drückenden Schuh. So muss sich Andreas Brehme 1990 im WM-Finale gefühlt haben. Hier geht es um alles. Selbst in Momenten der höchsten Anspannung denkt er noch an sein Team. Wichtige Sekunden vergehen. Die Zeit läuft für Vitesse. „Den knalle ich jetzt rein und dann ist endlich Ruhe im Karton“, denkt Graßhoff.
 
Er läuft an. Hier wird nichts anbrennen. Graßhoff schaut in die rechte untere Ecke, dreht den Fuß leicht nach rechts. Kurz bevor er den Ball berührt, springt der Torwart in die rechte Ecke. Graßhoff schießt den Ball knallhart mit Vollspann in die Tormitte. „Wow“, schreit Vrgoc. Alle Mitspieler stürmen auf Graßhoff zu und jubeln. 8:2. Die Entscheidung. Die Bodenheimer lassen die Köpfe hängen. „Mist, ich habe vergessen das Trikot auszuziehen“, ärgert sich Graßhoff.
 
Trojan – Heizmann – Friedrich, Graßhoff, Dries – Sediqi, Fellenberger, Keim (60. Röser), Emsermann – Raubuch (70. Beschoy) – Marko Vrgoc.
 
Tore: 1:0 Heizmann (28.), 2:0 Friedrich (34.), 3:0 Sediqi (39.), 3:1 Todaro (41., direkter Freistoß), 4:1 Dries (44.), 5:1 Raubuch (48.), 6:1 Marko Vrgoc (50.), 6:2 Dobra (52.), 7:2 Raubuch (56.), 8:2 Graßhoff (88., Foulelfmeter)
 
Besondere Vorkommnisse: Trojan hält Elfmeter von Oliver Sieben (45.)
 
Gelbe Karten: Friedrich, Fellenberger.
 
Beste Spieler: Trojan, Heizmann, Sediqi, Keim, Raubuch.