Alles aus Liebe
 
Es wird für immer ein Rätsel bleiben, wie es Pascal Röser geschafft hatte, nach zweiwöchiger Trainings- und Spielabsenz bedingt durch Urlaub und Beachvolleyball der Herren (!) als erster Vitesse-Einwechselspieler ins Heimspiel gegen die SG Sörgenloch/Udenheim geworfen zu werden. Doch sein Comeback brachte zumindest etwas unumstößlich Gutes: Mit ihm kehrte auch die Bumbum-Box zurück zu Vitesse.
 
Und so saßen die Spieler – erschöpft, aber überglücklich – nach dem 6:3-Sieg gegen den Gegner, der bisher ohne Punktverlust geblieben war, auf dem Kunstrasen. Und es war dieser eine magische Moment der Stille, als Pur aus den Boxen dröhnte: „Du schaust mich an mit deinen Funkelperlenaugen.“ Marko Vrgoc sah Jörg Friedrich tief in die Augen, neigte den Kopf verträumt zur Seite, lächelte beseelt. Friedrich erwiderte Blick und Lächeln. Es waren nur wenige Sekunden, doch das Knistern fuhr der gesamten Mannschaft durch die Glieder. Friedrich hielt es nicht mehr aus, drückte nervös auf der Bumbum-Box herum, bis er Pur endlich den Garaus gemacht hatte. Zuviel Gefühl.
 
Während Trainer Marijo Vrgoc vor jedem Training und vor jedem Spiel von seiner Mannschaft den größtmöglichen Hass fordert, ist es derzeit eher die Liebe, die die Mannschaft trägt. Oder kann es Zufall sein, dass Vitesse aus zwei Spielen mit Marko und Jörg sechs Punkte holte, aus den beiden Partien, in denen sie getrennt waren, aber nur einen?
 
Oder nehmen wir Samir. Von Hassprediger Marijo wird er nur verächtlich „Liebeskasper“ genannt. Dabei ist es kaum von der Hand zu weisen, dass sich Samir, seit seine Freundin regelmäßig zu den Spielen erscheint, vom passablen Stammspieler zum absoluten Leistungsträger entwickelt hat.
 
Oder Daniel Fellenberger. Öffentlich spricht er zwar nicht gerne über seine Gefühle. Doch wenn er sich wie gegen Sörgenloch/Udenheim vorbei an allen Gegenspielern durchs Mittelfeld tankt, kann man, wenn man genau hinhört, vernehmen, wie er während der Dribblings leise „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ summt. Am kommenden Donnerstag (Party im Schon Schön!) wird er stolze 32. Sieht man ihn auf dem Platz, könnte man ihm die 24 Lenze, die er selbst stets als Alter angibt, glatt abnehmen.
 
Marko Vrgoc, Friedrich, Samir, Fellenberger – das sind die Spieler, die derzeit ihr gesamtes Team mitnehmen auf Wolke 7. Und selbst Rückschläge wie das 2:3 nach 2:0-Führung steckt Vitesse so locker weg.
 
Auch wenn beim Gegner wohl noch einige Stammkräfte gefehlt haben: Vitesse zeigte ein super Spiel. Die Abwehr könnte sicherer stehen, keine Frage. Wobei die Gegentore am Sonntag aus einem Sonntagsschuss, einem zumindest fragwürdigen Handelfmeter und einem famosen Hackentrick resultierten. Die Offensive aber spielte Sörgenloch richtiggehend an die Wand. Schöne Spielzüge gepaart mit tollen Einzelleistungen. Vorne passt da momentan ziemlich viel. Und wenn die Chancen noch konsequenter genutzt worden wären – die SG hätte sich über zehn Gegentore nicht beschweren dürfen.
 
Bleibt abzuwarten, wie die Trainer Marijo Vrgoc und Stipan Jakic mit der Situation auf Dauer umgehen. Mit seiner Hass-Attitüde kommt Vrgoc selbst derzeit offensichtlich gut zurande. Als fast fehlerloser Libero bereitete er sogar noch ein Tor vor und schoss eines selbst. Denn ein Mann mit der Lebenserfahrung eines Marijo Vrgoc weiß: Was Liebe war, kann auch bald öder Alltagstrott werden. Er wird schon bald wieder mehr Hass fordern. Pascal Röser sollte vielleicht schon mal die Playlist anpassen.
 
Aufstellung:
Vos – Dries, Marijo Vrgoc, Graßhoff – Samir , Friedrich (70. Beschoy), Fellenberger (80. Henkel), Keim, Scholze, Emsermann (65. Röser) – Marko Vrgoc.
 
Tore:
1:0 Marko Vrgoc (15., Fellenberger), 2:0 Marko Vrgoc (17., direkter Freistoß, Fellenberger), 2:1 Thiel (23.), 2:2 B. Runschke (35. Handelfmeter), 2:3 Heeg (47.), 3:3 Marko Vrgoc (50., Marijo Vrgoc), 4:3 Marijo Vrgoc (53., Emsermann), 5:3 Marko Vrgoc (65., Samir), 6:3 Keim (67., Marko Vrgoc).
 
Gelbe Karten: Marijo Vrgoc, Scholze.
 
Beste Spieler: Marijo Vrgoc, Fellenberger, Marko Vrgoc.