Der König und sein Arzt
 
Immobilien-König Marijo Vrgoc ist fürgewöhnlich ein vielbeschäftigter Mann. Sein Büro sind die Bars und Cafes in Rheinhessen, wo er in Anzug und Krawatte wichtige Menschen auf einen Espresso zur Kundenpflege trifft. Ansonsten thront er in seinem Anwesen in Kastel, dort findet er den nötigen Ausgleich zum Jetset-Leben. Und als Trainer von Vitesse Mayence kann er sich allwöchentlich daneben benehmen und pöbeln wie ihm gerade ist. Marijo Vrgoc führt ein sehr befriedigendes Leben.
 
Aber es läuft nicht immer alles rund. Nach einer Operation ist sein Thron derzeit sein Gefängnis. Als Privatversicherter gönnt er sich den Luxus, dem Rat seines Arztes zu folgen und sich sechs Wochen lang zu schonen. Gerüchten zufolge ist seine umsorgende kroatische Mutter bei ihm eingezogen, zweimal am Tag wird warm gekocht, abends muss einer seiner Brüder Fastfood besorgen. Seine Notdurft verrichtet er angeblich in eine Bettpfanne, die unter seinem Thron platziert wurde. Manchmal kann das Leben auch für einen Marijo Vrgoc echt hart sein.
 
Umso härter muss es ihn treffen, dass ihm während seiner Abwesenheit bei Vitesse Mayence die Kontrolle entgleitet. Während er kurz nach seiner Übernahme bereits ein authoritäres Regime installiert hatte, das bald selbst die langjährige Diktatur seines griechischen Vorgängers hätte in den Schatten stellen können, hat Interimscoach Anton Fluhr sein Team binnen weniger Tage komplett umgekrempelt – und das ganz ohne das Zutun des Königsmachers Jörg Friedrich.
 
Unter Vrgoc herrschte noch eiserne Trainingsdisziplin. Fluhr dagegegen gab sich in der Vorbereitung auf die Rückrunde bereits damit zufrieden, wenn er drei Leute der 1. Mannschaft begrüßen durfte. Die von Vrgoc geliebte 3-5-2-Formation schoss Fluhr in den Wind und stellte wieder klassisch 4-4-2 auf. Auch personell ließ der Interim kein Stein auf dem anderen. Dries durfte auch fast ohne Trainingseinheit für Marijos Lieblingsschüler Sengespeick in die Startformation: Einen klareren Affront gegen Vrgoc hätte es nicht geben können.
 
Innerlich muss es in Vrgoc, gefesselt auf seinem Kasteler Thron, gekockt haben. „Wartet nur, wenn ich wiederkomme“, soll er im Fieberwahn immer laut ausgeschrien haben. Wie sehr muss es ihn geschmerzt haben, als seine Vitesse als Tabellensiebter die Partie gegen den Dritten Sörgenloch/Udenheim am ersten Spieltag nach der Winterpause dann auch noch mit 2:0 gewonnen hatte? Das erste Spiel zu null überhaupt. Mit einem starken Dries in der Abwehr, der Gegenspieler Breitenbach liquidierte. Mit einem göttlichen, mittlerweile 5-fach-Fupa-Elf-der-Woche-nominierten Graßhoff, den er in der Hinrunde immer wieder durch Strafversetzungen auf die Bank versucht hatte zu brechen und über den Sörgenlochs Heieck nach dem Spieler nur mit Ehrfurcht in den Augen sagen konnte: „So stark wurde ich in dieser Liga noch nie verteidigt.“
 
Es war in der Tat eine große Leistung der Verteidigung, die den Sieg der Vitesser ermöglicht hatte. Sörgenloch hatte aber auch ganz offensichtlich die falsche Taktik gewählt. Es griff sehr spät an und ließ Vitesse, bekanntermaßen in der Abwehr nicht unbedingt mit den technisch versiertesten Kickern ausgestattet, in Ruhe das Aufbauspiel machen. Es gelang Vitesse zwar nicht oft, gefährliche Angriffe vorzutragen, doch wenn es dann mal bis vor das Tor kam, wurde eiskalt zugeschlagen. Sörgenloch selbst versuchte es mit langen Bällen auf die schnellen Offensivspieler, die aber an der glänzend von Esser und Heizmann organisierten Abwehr ihre Meister fanden.
 
Sörgenloch muss nach der Niederlage wohl die zuvor noch vage gehegten Hoffnungen auf den Aufstieg begraben. Vitesse wird – wenn es weiter so läuft – nicht mehr erneut in den Abstiegskampf geraten. Marijo Vrgoc hat für kommenden Sonntag sein Erscheinen zum Heimspiel angekündigt. Obwohl ihm sein Arzt Bettruhe verordnet hat. Vielleicht hat ihn ein winziges Detail stutzig gemacht: Sein Arzt heißt Anton Fluhr. Jörg Friedrich ist angeblich bereits als Besucher der Kasteler Residenz gesichtet worden.
 
Vos – Graßhoff, Esser, Heizmann, Dries (59. Sengespeick) – Mocktar, Raubuch, Keim, Samir – Beschoy (66. Billet) , Marko Vrgoc.
 
Tore: 0:1 Marko Vrgoc (60., Emsermann, herrlich eingeleitet von Graßhoff), 0:2 Mocktar (63., Marko Vrgoc).
 
Gelbe Karten: Dries, Billet.
 
Beste Spieler: Graßhoff, Esser, Heizmann, Dries, Marko Vrgoc.