awo. – Tradition verpflichtet. Deshalb nahm Traditionsverein Vitesse Mayence (gegründet 1986) dieses Jahr wieder beim traditionellen Schiri-Hallenturnier (35. Auflage) in Mombach teil.
Ausschließlich zu diesem Anlass kramt Vitesse-Präsident Edgar Jung eimal im Jahr die feinen, spezialangefertigten, klassisch in schweißfreundlicher Baumwolle gehaltenen, himmelblau-weiß gestreiften Vitesse-Trikots im Stile der argentinischen Weltmeisterelf von 1978 heraus.
Dass die Darbietungen von Vitesse beim besagten Hallenturnier in den vergangenen Jahren in der Regel nicht ansatzweise mit jener beschwörten Spieleleganz in Einklang standen, die die kreativen Leibchen rein optisch-theoretisch ausstrahlen, zählt zugegebenermaßen ebenso zur Tradition. So schied Vitesse beim letzten Versuch 2011 sieglos in der Vorrunde aus. Eleganz versprühten auch da nur die Trikots.
Dries am treffsichersten, Coelho und Vrgoc harmonieren prächtig
Doch dieses Mal brach das (wie 2011 ohne Trainer angereiste) Team in gewisser Weise mit der Tradition. Denn wurde Vitesse in den vergangenen Jahren regelmäßig von Oberliga-Teams wie Gonsenheim nahe an der Zweistelligkeit verprügelt, zeigte Vitesse bei der 2013er-Auflage, dass es nicht einmal Oberliga-Teams benötigt, um sich abschießen und demütigen zu lassen. Landesligisten (wie Bodenheim) reichen. Bezirksligisten (Mommenheim) auch. Sogar Kreisligisten (Partenheim, Turkgücü, Livingroom).
Als wären die nackten Zahlen und Fakten (5:21 Tore, punktlos Gruppenletzter) nicht bereits ernüchternd genug. Als wäre der für die Außendarstellung des Vereins alles andere als zuträgliche, divenhafte Zickenkrieg vereinzelter Vitesser, der sich bereits vor dem Turnier in Facebook zutrug und dann leider wie erwartet in der Halle zuspitzte, nicht nervend und peinlich genug.
Nein, es trugen noch andere Randerscheinigung der Veranstaltung dazu bei, dass Abteilungsleiter Graßhoff nach dem sich wie Kaugummi ziehenden 7-stündigen Aufenthalt in der Halle resümierend aussprach, was sicherlich auch andere Vitesser dachten: „Am besten melden wir uns da gar nicht mehr an“.
Willkür, Repression, Staub und wässrige Bockwurst
Das lag zum einen an der zentimeterhoch mit Staub bedeckten Spielfläche, die jegliche Geh- und Zweikampfversuche zur Rutschpartie verkommen ließ. Es lag auch daran, dass die pfeifende Zunft des Turnierausrichters alle Anwesenden in der Halle durch eine konsequent inkonsequente Regelauslegung verwirrte.
Jeder Schiri pfiff anders, verteilte Strafen nach scheinbar eigenen Maßstäben. Es entbehrte da nicht einer gewissen tragischen Komik, dass ein Unparteiischer wegen eines übermotivierten Strafen-Aktionismus einmal sogar von der ganzen Halle ausgebuht wurde. Zur Erinnerung: Es handelte sich um ein Turnier der Schiedsrichtervereinigung Mainz-Bingen.
Doch repressive Willkür herrschte auch abseits des Spielfeldes. Vor, auf und hinter der Tribüne, bei der Organisation. So hatten unentwegt patroullierende, unfreundliche Aushilfs-Sherrifs über die die komplette Turnierdauer von 8 Stunden nichts besseres zu tun, als Spieler (!) darauf hinzuweisen, dass das Trinken im Innenraum verboten war(!).
Wer hungrig und wegen des Trinkverbots innerlich ausgetrocknet auf den langen Weg in die Nähe des Service-Bereichs aufbrach (z.B. während der 95-minütigen Pause vor dem letzten, völlig bedeutungslosen Spiel) um sich während des langen Turniertages zu stärken, den verzauberte dort angekommen der Charme der hinter der Theke thronenden Bedienungen in gleichem Maße wie jener der dort zu kaufenden, überteuerten, lauwarm erhitzten und wässrigen Discounter-Rinds- und Bockwürste.
Präsident flüchtet mit Bier
Doch selbst das wäre bis zu diesem Punkt noch alles irgendwie zu verkraften gewesen. Wenn nicht bereits weit vor Turnierende der an diesem Tag einzige Lichtblick aus dem Blick der vom Platz schleichenden Vitesse-Spieler verschwunden wäre: das in der Startgebühr enthaltene Bierfass, mit dem sich unter anderem auch Hobbyfeldspieler Benni Knoll das Turnier im Nachhinein (bzw. bereits währenddessen) allzu gerne schöngesoffen hätte.
„Ich war ja von Anfang an dafür, dass wir das Fässchen gleich hätten leeren sollen“, trauerte Vitesse-Allrounder Sascha Vos im Nachhinein der verpassten Chance nach, das Turnier auf eine erträglichere Art und Weise zu gestalten. „Da hätten wir wahrscheinlich besser gespielt und viel Spaß gehabt“, war sich Dirk Dries, noch einer der besseren im Team, sicher.
Doch Präsident Jung, der den unglücklichen Auftritt seiner Mannen mit einer tief ins Gesicht gezogenen Cappy von der Tribüne aus über sich ergehen ließ, war schneller – und irgendwann, wie das Bierfass, nicht mehr gesehen. „Der Präsi hat es nicht annähernd bis zum Schluss ausgehalten und sich nach dem dritten Spiel verpisst!“, wusste Augenzeuge Graßhoff zu berichten.
Doch man könnte es Jung wahrlich nicht übel nehmen, wenn er sich – das Bierfass eng umschlungen und in ein Vitesse-Ttrikot im Stile der argentinischen Weltmeisterelf von 1978 gehüllt – noch am selben Abend in einen einsamen Raum eingeschlossen und die vorigen 8 Stunden mit Alkohol aus seinem Gedächtnis verbannt hätte. Bedächtig berieselt von den Klängen des traditionellen südamerikanischen Kampfliedes „Venceremos!“, frei nach einer deutschen Interpretation jenes kulturträchtigen Liedgutes: „Wir werden siegen – irgendwann einmal… Und ich warte nur auf diesen einen Tag“.
1) SV Vitesse Mayence – FC livingroom Mainz 1:3
Tor Vitesse: Vrgoc (1:0)
2) SG Partenheim – SV Vitesse Mayence 6:2
Tore Vitesse: Dries (2)
3) TSV Mommenheim – SV Vitesse Mayence 4:0
4) VfB Bodenheim – SV Vitesse Mayence 5:1
Tor Vitesse: Dries (3:1)
5) Türkgücü Mainz – SV Vitesse Mayence 3:1
Tore Vitesse: Vrgoc (1:1)
Knoll, Vos, Dries, Graßhoff, Wolf, Sowada, Lenz, Vrgoc, Coelho, Ivecen.