Samir Sediqi: Teil der Mannschaft

Integration kann nicht besser laufen: Der junge Afghane fand in Mainz einen Fußballverein – und darüber auch Arbeit, Wohnung und Freunde.

Samir Sediqi hat es geschafft. Er hat das erreicht, was sich auch deutsche Politiker wünschen: Er, der Flüchtling aus Afghanistan, spricht fließend Deutsch, er hat einen Ausbildungsplatz, eine eigene Wohnung, eine deutsche Freundin, einen Sportverein, in dem er Verantwortung übernimmt. Der 22-Jährige ist offiziell anerkannt, für die kommenden drei Jahre darf er in Mainz bleiben. Keine Frage, er hat sich erfolgreich integriert.

Im Dezember 2013 kam Sediqi nach Rheinland-Pfalz, und lange war unklar, was mit ihm passiert. Wie über seinen Asylantrag entschieden wird. Er war mit seinen Eltern und den fünf Geschwistern aus der Stadt Kashlak geflohen, weil ihr Leben dort in Gefahr war. Sediqis Vater arbeitete zu Zeiten der sowjetischen Intervention beim Militär, zuletzt verdiente er sein Geld als Taxifahrer. „Dann war er in Afghanistan nicht mehr erwünscht‟, sagt der Sohn.

Die Flucht gelang der Familie mit Hilfe von Schleppern zu Fuß, manchen Kilometer auch im Auto, über Pakistan, Iran, die Türkei, Bulgarien, Mazedonien, Serbien, Ungarn. Sie haben viel erlebt, viel überlebt, aber heute kann er wieder lachen. Wer das erleben will, der muss zum Sportplatz nach Mainz-Bretzenheim. Dort spielt Sediqi Fußball, dort kann er „alles für eine Zeit lang vergessen‟.

Seit ihn das Handelsblatt vor einem Jahr auf dem Sportplatz traf, ist viel passiert in Sediqis Leben. Mit Hilfe des Vereins und des Netzwerks, das er sich dort aufgebaut hat, hat er einen Ausbildungsplatz als Bauzeichner in einem Architekturbüro bekommen. Er ist glücklich, eine Aufgabe zu haben, die ihn interessiert und fordert. Mit Kollegen, die ihn akzeptieren und respektieren. Und mit einem Chef, den er „immer alles fragen kann‟. Eigentlich wollte er mal Maschinenbau studieren, Ingenieur werden – aber das kann warten.

Das Flüchtlingsheim Zwerchallee in Mainz hat Sediqi mittlerweile verlassen, über „Bekannte vom Fußball‟ hat er eine eigene kleine Wohnung gefunden. Und er hat seit gut einem Jahr eine deutsche Freundin – durch sie hat er noch mehr Kontakt zu Deutschen als vorher schon.

Ob er Probleme hat? Ob es Schwierigkeiten gibt? Die Antwort lässt länger auf sich warten. Er vermisst seine Heimat, aber er ist froh, in Deutschland leben zu dürfen. Er liebt die Freiheit, den Frieden, und er wünscht sich, „dass jeder Mensch dort leben darf, wo er möchte‟. Auch deshalb kann er das Wort „Flüchtling‟ nicht mehr hören. Wenn er ehrlich ist, mochte er es noch nie. Über Politik, über Angela Merkels „Wir schaffen das‟ will er dann auch lieber nicht sprechen. Der Streit über Zuwanderung in Europa bereite ihm immer Sorgen, sagt er, dabei sollte er doch besser glücklich sein. Deshalb: Nein, so richtige Probleme hat er derzeit nicht.

Lieber spricht er über den Sport, den Fußball, der ihm hier noch viel mehr bedeutet als früher. In Afghanistan, sagt er, habe er gerne Sport getrieben, zum Spaß. In Deutschland aber habe ihm das Spiel mit dem Ball bei der Integration geholfen, dabei, die Deutschen zu verstehen. „Ohne meine Mannschaft könnte ich hier in Mainz leben‟, sagt er. „Aber längst nicht so gut.‟

Diana Fröhlich / Handelsblatt Artikel