awo. – Warum wurde Vitesse eigentlich noch nie Kreisligameister? Seit dem Freitag vor den Spielen der Ersten Mannschaft gegen Bosnjak und der Zweiten gegen Friesenheim herrscht Gewissheit.
Am Tag des Abschlusstrainings platzte die Bombe: Die Süddeutsche Zeitung berichtete in ihrem überregionalen Sportteil, dass das englische Spitzenteam Chelsea London „einen Teil des Vitesse-Gehaltszettels“ bezahle. Die Zeitung berief sich dabei auf ein Interview des ehemaligen Vitesse-Sportdirektoren Ted van Leeuwen (sprich: fann Löjwen) mit der Nachrichtenagentur anp.
Ausbildungsverein Vitesse
Van Leeuwen erklärte, dass die finanzielle Unterstützung des international erfolgreichen Nobel-Clubs aus dem Norden Londons auch die Meisterschaftschancen von Vitesse beeinflusse. Denn Chelseas Interesse bei der Kooperation ziele ausschließlich darauf ab, dass „die Spieler sich entwickeln – und nicht, dass Vitesse Meister wird.“
Laut Statuten des Fußballweltverbandes FIFA, dem der DFB, damit auch der Südwestdeutsche Fußballverband (SWFV) und somit auch Vitesse angehört, dürfen nicht zwei oder mehr Mannschaften ein und desselben Geldgebers „ganz oben“ spielen. Bei Chelsea fällt in die Kategorie „ganz oben“ die Champions-League, bei Vitesse Mayence alles oberhalb von Rang drei der B-Klasse.
D.h. im Klartext: Die Mainzer sind faktisch zum ewigen Scheitern verdammt, quasi zum Bayer Leverkusen des rheinhessischen Amateurfußballs. Vieles scheint so im Nachhinein klarer.
Austauschprogramm mit Chelsea-Nachwuchsspielern
Was Chelseas preiswerte, risikolose Freud, ist Vitesse‘ teures Leid. Aber was soll ein kleiner, armer Mainzer Studentenverein schon einem millionenschweren Luxus-Spielzeug eines russischen Oligarchen entgegensetzen? Wenn Abramowitsch und Mourinho wollen, wildert Chelsea auch in Mainz-Bretzenheim an der Ulrichstraße. Lampard, Eto’o, Cole und Czech werden schließlich auch nicht jünger…
Doch nicht nur Chelsea profitiert von der Kooperation: Zuletzt wurden bereits erstmals hoffungsvolle Nachwuchstalente der „Blues“ auf dem Vitesse-Trainingsgelände gesichtet.
Darunter ein nigerianischer Torhüter mittleren Alters im Körper einer flinken Gazelle, der unbestätigten Überlieferungen und unverifizierbaren Mythen zufolge bereits auf eine Profikarriere im Mutterland des Fußballs zurückblicken kann.
Vereinsgeschichte und Spielberichte müssen neu geschrieben werden
Fest steht aber auch: Die Meldung der Süddeutschen lässt im Nachhinein auch die Vitesse-Geschichte in einem anderen Licht erscheinen.
Denn bisher hatten die Vitesse-Verantwortlichen um Abteilungsleiter Graßhoff, die Aufsichtsratvorsitzenden Jung und Pilsner sowie der Spielausschuss um Bayer, Fluhr, Moissiadis und Klaes stets andere plausible Gründe für vergangene, verpasste Kreisliga-Meisterschaften angeführt.
So monierte nicht zuletzt Graßhoff regelmäßig, dass die wichtigsten Saisonphasen stets unvereinbar mit anfallenden Semesterferien zusammenfielen – und dadurch ein Großteil des (aus zu einem Großteil aus Studenten bestehenden) Kaders schlicht zu den wichtigsten Spielen einer Saison gar nicht konkurrenzfähig war.
Werden bei Vitesse Spieler über den Tisch gezogen?
Hinterfragt werden müssen nun auch die gängigen Strukturen im administrativen Bereich des Mainzer Studentenvereins, der sich nach Außen allzu gerne als moralisch tadellose Instanz gibt, als „Alternative zu den traditionell etwas straffer organisierten klassischen Fußballvereinen“ verkauft. Oder müsste es fortan vielmehr heißen: „inszeniert“?!
Gemäß seines Selbstbildes handelte der Verein seit seiner Gründung 1986 offiziell stets nach dem ehrenhaften Grundprinzip, keine Spielerprämien auszuzahlen – selbst wenn diese harte Linie bereits zahllose mitunter herausragenden Fußballer nachweislich davon abhielt, sich über den Trainingsbetrieb hinaus dem langjährigen und etablierten Kreisklassen-Spitzenteam Vitesse anzuschließen.
Nach dem Zeitungsbericht der Süddeutschen sah sich selbstverständlich auch das vereinsinterne, ultrakritische, unabhängige, weil nicht interessensgesteuerte Medium Vitesse-Mayence.de verpflichtet, hochrangige Vitesse-Verantwortliche mit unumgänglichen Fragen zu konfrontieren.
Herangetragen wurde dieser Wunsch auch auf Bitte einiger verdienter und mittelloser Vitesse-Aktiven. Schließlich fragen sich diese nun zu Recht, ob sie nicht doch ein Recht auf regelmäßige Gehaltszahlungen haben (um zumindest die monatliche Mitgliedsgebühr wieder reinzuholen).
„Bei uns wird nur der Vorstand bezahlt“
Schatzmeister Krein erstickte mögliche Regress-Ansprüche von Vitesse-Spielern bereits im Keim: „Bezahlt wird bei uns nur der Vorstand.“ Zudem versicherte der Finanzexperte, dass bei den Zahlungen des FC Chelsea stets alles mit rechten Dingen zugegangen sei – und dass sich Vitesse natürlich genrell stets an die Statuten des SWFV, DFB und der FIFA gehalten habe.
Krein lieferte hierzu einen stichfesten Beweis, der Schatzmeister wörtlich: „Es haben nie Kontobewegungen mit britischen Pfund stattgefunden.“
Vitesse-Präsident schweigt
Konfrontiert mit dem Medienbericht, der auch am Samstag danach die überregionale Presselandschaft in helle Aufruhr versetzte, sagte Vitesse-Präsident Jung: nichts. Der erst mit einem britischen Privatjet aus dem Urlaub zurückgekehrte und sichtlich erholte Jung wollte sich zu den im Raum stehenden Fragen nicht äußern. Beziehungsweise: „Lieber nur mit einem Anwalt.“
Eins ist klar: Jungs Verhalten befeuert Spekulationen.
„Bild“: Erste Spuren führen nach Griechenland
Dass ein gewöhnlicher Kreisligaverein – der offiziell prinzipiell auf jegliche Prämienzahlungen verzichtet – in Zeiten der weiterhin wütenden EU-Finanzkrise eine finanzielle und sportliche Kooperation mit einem milliardenschweren (und international in alle Machtbereiche verstrickten) Fußballunternehmen eingeht, scheint im beinharten Amateurfußball-Geschäft selbst heute nicht mehr völlig ausgeschlossen.
Alleine die nötigen Ausrüstungsgegenstände für den wöchentlichen Wettkampf – darunter farblich perfekt abgestimmte Trikotsätze in modischem Neontönen – müssen ja schließlich auch irgendwie bezahlt werden. Mit nur 7 €uro für Tickets auf der Südtribüne 2,50 €uro monatlichem Mitgliedsbeitrag für Studenten lässt sich das eben nicht finanzieren.
Auch Chelsea hält sich bedeckt – und verweist nach Holland
Verantwortliche des FC Chelsea wollten sich auf Anfrage dieses Mediums ebenfalls nicht öffentlich äußern. Die Pressestelle des Premier-League-Clubs verwies stattdessen auf einen bestehenden Kooperationsvertrag des FC Chelsea mit dem holländischen Ehrendivisionisten und Titelaspiranten Vitesse Arnheim – und darauf, den Zeitungsbericht aus der Süddeutschen vom 4. April 2014 noch einmal genauer zu lesen.